Ordiniert

Pfarrer und Pfarrerinnen werden in den evangelischen Kirchen ordiniert. Das soll sie eingliedern in den Berufsstand, der den evangelischen Kirchen ihre Ordnung und Gestalt verleiht. Für Aussenstehende ist die Ordination wie ein Siegel oder Markenzeichen: Sie weist die Ordinierten als „ordentliche“, rechtmässige Vertreter der kirchlichen Gemeinschaft aus. Gegen innen sollen die Ordinierten zu einer handlungsfähigen Einheit verbunden  sein durch ein „verbindliches“, allen gemeinsames Wissen und Wollen.

Das möchte das Ordinationsgelübde sicherstellen.
Die Pfarrerinnen und Pfarrer geloben, dass sie ihren Auftrag erfüllen werden im Dienst am Gotteswort, so wie dieses in den Heiligen Schriften gegeben ist, und dass sie die Sakramente dementsprechend verwalten.

Durch das neuzeitliche Sprach- und Bibelverständnis wird dieses Gelübde inhaltlich entleert. Die Ordination schafft eine nur noch äusserlich formale Verbindung. Denn die evangelische Theologie definiert die Bibel als ein Glaubenszeugnis, das in menschlicher Sprache einer Gotteserfahrung Ausdruck verleiht und auf eine je wieder neue persönliche Gottesbegegnung zielt. Demnach müssen alle Ordinierten die Bibelworte aus ihrer eigenen Erfahrung neu interpretieren, wie das ihren persönlichen Gottesbegegnungen entspricht.  Rein formal müssen sich alle auf die Worte der Bibel beziehen. Alle müssen für sich beanspruchen, dass ihr amtliches Tun und Lassen von den Bibelworten bestimmt ist. Doch alle sind in dieser Frage Richter in eigener Sache. Alle entscheiden je für sich persönlich, was das Ordinationsgelübde für sie beinhaltet.

Das führt in der Praxis zu einem bunten, oft auch chaotisch widersprüchlichen Fächer von unterschiedlichsten Ausrichtungen. So sind zum Beispiel die Schöpfungsgeschichten am Anfang der Bibel für einige Theologen ein schöner Ausdruck für das religiöse Gefühl, das der Natur staunend gegenübersteht. Andere lesen diese Geschichten als eine Botschaft, mit denen der Schöpfer selber sein Werk beschreibt. Auch die Geburt Jesu, wie sie die Evangelisten Matthäus und Lukas erzählen, wird sehr unterschiedlich verstanden. Die einen lesen diese Erzählungen als einen literarisch fein gesponnenen, aber auch geschichtlich zuverlässigen Bericht dessen, was das Apostolische Glaubensbekenntnis mit dem harten Begriff von der „Jungfrauengeburt“ zu fassen versucht. Für andere sind diese Erzählungen Legenden, die mit metaphorischen Sprachbildern eine Wahrheit eigener Art beschreiben, die von biologischen Überlegungen nur erniedrigt würde. Ähnlich unterschiedlich werden die neutestamentlichen Worte gedeutet, die sagen, was nach dem Tod, am Ende der Zeit auf die Menschen wartet. Wenn Jesus seinen Jüngern die Szene ausmalt, wie „der Menschensohn“ die Völkern sammeln und richten werde, und der Apostel Paulus schreibt, dass „wir alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen“ und den Lohn für unsere Taten empfangen müssen, so folgern die einen aus solchen Worten, dass auf alle Menschen ein letztes Gericht wartet. Andere halten eine solche Vorstellung für unvereinbar mit der Botschaft Jesu von der Barmherzigkeit Gottes, die jeden Widerstand überwindet. Was Gottvertrauen und Gottesfurcht sei, und worin demnach die wahre Liebe zu den Menschen bestehe, wird sehr unterschiedlich gesehen.

Jede biblische Aussage wird unterschiedlich, oft diametral widersprüchlich gedeutet. Dadurch wird die Ordination zu einer inhaltslosen Formalität. Die Gemeinschaft der Ordinierten ist zerfallen, noch bevor sie sich aufbauen könnte.
Konsequenterweise muss bei einer Pfarrwahl jede Kirchgemeinde erst noch selber prüfen, wie die Kandidierenden das Bibelwort verstehen, und wie sie sich demnach durch das Ordinationsgelübde gebunden wissen.

Zur inhaltlichen Klärung kann das Bekenntnis dienen, welches die Stiftung Bruder Klaus erarbeitet hat: Bekenntnis entlang des Briefes von Bruder Kluas

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